Vor fünf Jahren wurde beschlossen, dass für Greyerzermilch keine weiteren Melkroboter installiert werden dürfen. Das Verbot entstand nicht, um ein glaubwürdiges Bild vom traditionellen Käse zu bewahren, sondern wegen tatsächlicher Qualitätseinbussen. Die Hauptursache lag bei der Melkfrequenz, beziehungsweise den kurzen Zwischenmelkzeiten und den automatischen Euterreinigungen. Lösungen fehlten, ein Verbot schien sinnvoll. Ist es das wirklich? Gab es auch Unterschiede zwischen handgemolkener Milch und der Milch aus der allerersten Melkmaschine? Haben sich diese Unterschiede mit den Fortschritten bei Maschinen und Management verändert? Oder sollte die Greyerzermilch konsequenterweise von Hand gemolken werden?
Blechlawine überrollte Land
Andere Beispiele für Technologieverbote gibt es zuhauf. Als Anfang des 19. Jahrhunderts das Auto aufkommt, haben sich in Graubünden nicht nur Kutscher und Bähnler vehement dagegen gewehrt. Die Bevölkerung beschimpfte Autofahrer und bewarf sie gar mit Schmutz, Wasser oder Jauche. Dazumal wollten die Köpfe schnellere Pferde, keine Freizeit-Motorwagen. So war ein kantonales Fahrverbot schnell zur Stelle. 25 Jahre und unzählige Abstimmungen später wurde das Verbot aufgehoben. Der technologische Fortschritt überrollte das Land mit einer Blechlawine. Etwa so wie heute unsere Hosentaschen von Elektrogeräten eingenommen werden. Obwohl die Melkroboter-Nachfrage nicht mit der von Autos und Handys zu vergleichen ist, stehen die Zeichen gut, dass wir in diesem Jahrhundert von Robotern aller Art überschwemmt werden.
Zeit überwindet Ängste
Bei der Gentechnik zeigt sich ein ähnliches Muster. Zuerst wurden Frankenstein-Pflanzen gefürchtet. Die Gentechnologie hat sich weiterentwickelt. Nun kann mit cisgenetischen Methoden, das heisst mit artgleichen Genen aus beispielsweise alten Wildkartoffeln eine resistente Zuchtkartoffel entstehen. Dabei ist der Zeitgewinn im Vergleich zur klassischen Züchtung enorm. Trotzdem wurde Anfang dieses Jahres das Gentech-Moratorium verlängert, die Technologie muss noch mehr überzeugen und Ängste abbauen. Ängste, die nicht selten von Missverständnissen stammen.
Wo bleiben fliegende Autos?
Sich auf Altbekanntes zu besinnen ist gut, doch es kann unmöglich alles so bleiben, wie es angeblich einmal war. Wir müssen auch loslassen können von früher. Genau deshalb braucht es ausserhalb der Forschung ein Spielfeld für neue Technologien. Sie müssen im täglichen Leben funktionieren, um in der Zukunft eine Chance zu haben. Das ist kein Freipass, Erneuerungen jeglicher Art einzuführen. Bevor sie sich je durchsetzen, verlieren sich sowieso unzählige Ideen auf den rätselhaften Wegen des Fortschritts. Oder wer hat schon überall die fliegenden Autos gesehen? Ein Hoch auf die Pionierinnen und Pioniere, die trotzdem daran glaubten.
Verbot stoppt kein Fortschritt
Andererseits können Verbote auch helfen, noch gründlichere Auseinandersetzungen zu führen und stichfeste Lösungen zu finden. Heute steht unsere Gesellschaft vor der kapitalen Herausforderung, ökonomische und ökologische Aspekte in Einklang zu bringen. Ein Scheitern mag das Ende der Welt mit Menschen bedeuten. Smart Farming muss mehr als Landwirtschaft mit digitalen Hilfsmitteln sein. Smart Farming muss ganzheitliche Optimierung bedeuten, nur so kann es langfristig florieren. Schritt für Schritt gilt es die grösste Aufgabe unserer Zeit zu meistern. Auch bei der Greyerzermilch. Der Staub auf dem Verbot könnte aufgewirbelt werden, wenn vollautomatische Melkkarusselle ihren Weg in die Schweiz finden. Mit dieser Erneuerung können womöglich die Komplikationen des aktuellen Melkrobotersystems neutralisiert werden. Ein Sieg für die traditionelle Qualität, dank Innovation?
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